Wir von morgen

Dez 27, 2022

Wir von morgen dürfen gestern nicht vergessen

Du kennst das sicher: du bist irgendwo eingeladen und hast eigentlich überhaupt keine Lust darauf. Du könntest ja auch einfach daheim bleiben und ein schönes Buch lesen oder mit deinem Web Development-Kurs weitermachen. Aber da du schon zugesagt hattest, gehst du halt doch hin.

So wie neulich, als ich auf einem Chor-Konzert eingeladen war. Lust hatte ich keine, vor allem weil mein Vorurteil-Meter bei dem Männerchor – bestehend aus Rentnern – wie wild ausschlug. Aber um es kurz zu machen: die Herren waren fantastisch und meine Vorurteile absolut unangebracht. Wie es die meisten Vorurteile eben sind.

Um genau zu sein, hat mich dieses Konzert nicht nur beeindruckt, sondern zu Tränen gerührt. Kennst du das Lied “Ihr von morgen” von Udo Jürgens? Ich kannte es nicht. Ich bin auch nicht wirklich ein Udo Jürgens Fan. Aber das tut hier nichts zur Sache. Ich habe es an diesem Abend zum ersten Mal von diesem Männerchor gehört und es hat mich ziemlich zum Nachdenken gebracht.

Wir von morgen sind die Zukunft – oder?

Wer wird in tausend Jahren
Uns′re Fehler noch versteh’n?
Man wird davon nichts mehr seh’n:
Den Staub von unsern Füßen,
Wird der Wind der Zeit verwehn.
Ihr von Morgen
Werdet neue Wege geh′n!

Udo Jürgens hat Recht. Jede Generation lernt aus den Fehlern der vorherigen und findet neue Wege. Als Gesellschaft sind wir immer wieder bemüht, nach vorne zu gehen. Sich auf die Zukunft auszurichten.

Schön und gut. Aber als ich das Lied so hörte, kam mir plötzlich der Gedanke: wer denkt eigentlich an “die von gestern”? “Ihr von Morgen! Wenn ihr neu erwacht, Dann vergeßt nicht uns’re Träume”. Wir sind in diesem immer währenden Optimierungswahn gefangen. Was können wir besser machen? Wie können wir schneller werden, schlauer werden? Dabei sind all die Fundamente, auf denen wir aufbauen, “von gestern”.

Wie alt muss das Gestern sein, damit es als weise gilt?

Weißt du, ich finde es eigentlich ziemlich unfair. Wir sprechen den ganzen Tag davon, wie wir inklusiv sprechen und handeln können. Wie wir mehr Diversität in den Alltag bringen. Aber wo sind eigentlich unsere Alten vertreten? Diejenigen, die uns aufgezogen haben, die maßgeblich unsere Gegenwart mit gestaltet haben? Sprechen wir über sie?

Wie oft reden wir abfällig über die “veralteten” Meinungen unserer Eltern und Großeltern? So als müssten wir sie “erziehen”, so als müssten sie sich die modern vorherrschende Meinung aneignen, weil sie andernfalls nur belächelt werden? Wie arrogant sind “wir von morgen” eigentlich geworden? Dabei müsste man sich ja nur mal vor Augen halten, dass unsere Meinungen in 30 Jahren zu denen gehören werden, die belächelt werden. Dann sind wir die von gestern.

Und wie alt müssen Meinungen eigentlich sein, damit sie nicht als rückständig, sondern als weise gelten? Wir bedienen uns alter Philosophien wie Yoga und suchen den Weg zurück zu natürlicher Heilkunst. Wissen, das jahrhundertealt ist. Deine Großeltern haben nicht jeden Mist mit Antibiotika behandelt und wussten sich anders zu helfen. Wer bestimmt also, welche Ansichten und welches Wissen veraltet ist und welches wertvoll?

Die Moral von der Geschicht’.

Zum Jahreswechsel möchte ich dir deswegen eine kleine Inspiration mitgeben. Halte doch öfters mal inne. Diese Sache mit “neue Wege beschreiten” und “nach vorne gehen” machen wir schon ziemlich gut. Und ich sage nicht, dass es nicht nötig ist. Aber ich habe den Eindruck, dass wir die Balance verlieren. Das ständige nach vorne Schauen verschleiert den Blick sowohl für das, was wir jetzt schon haben, hier und jetzt, in der Gegenwart, als auch für das, was uns von den gestrigen Generationen geschenkt wurde.

Es ist eine Übung in Demut. Denn nein, wir von morgen haben nicht mit allem Recht. Und vor allen Dingen haben wir nicht das Recht zu behaupten, wir wären denen von gestern in irgendeiner Weise überlegen. Jetzt ist die Gelegenheit, dieses Thema zu reflektieren, findest du nicht? Anstatt nur genervt zu sein, hör deinen Eltern und Großeltern doch mal wirklich zu. Und leg den Drang nach Belehrung ab. Weil weißt du, was dann passiert? Verbindung. Und ich glaube, davon können wir alle gerade mehr gebrauchen.

Wer wird in tausend Jahren
Uns’re Fragen noch versteh′n?
Ihr von Morgen werdet staunend
Rückwärts seh′n.

In diesem Sinne wünsche ich dir einen guten Rutsch ins neue Jahr 2023 und hoffe, dass es dir viele schöne Momenten bescheren wird!

Dominika

Hier sollte ich mich kurz vorstellen, da ich mich aber nicht entscheiden kann, welche Persönlichkeitsanteile an dieser Stelle wichtig sind, mach ich’s kurz: Hi, ich bin Dominika, begeisterte Multipassionierte, Kreativkopf, Tech-Liebhaberin. Das Leben ist zu kurz, um es einseitig zu gestalten.

Mehr über mich

Magic Box

Die Magic Box für Multipassionates ist eine Sammlung kreativer Ressourcen, die kontinuierlich wächst.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner