Angst oder Spaß – was motiviert Dich?

Mrz 23, 2021

Die Antwort auf diese Frage lautet bei vielen erstmal: „Spaß natürlich!“

Du tust also alles, was Du tust nur aus Spaß, frage ich dann.

„Also naja vielleicht nicht immer, aber… Wer lässt sich den freiwillig von Angst motivieren? – ähm… da gibt’s doch viele Gründe. Gibt’s denn keine anderen Optionen?“

Nö. – sage ich dann. Gemein oder?

Natürlich ist die menschliche Psyche sehr komplex, aber gerade, wenn man für komplexe Fragen praktische Antworten will, kann es helfen, die Psyche mal auf die absoluten Basics runterzukochen. Und genau das machen wir heute.

Denn wenn man ganz tief in die Basics geht, gibt es nur zwei Dinge, die uns dazu motivieren, etwas zu tun: Spaß und Angst.

Von Spaß wollen wir mehr (die Psychologen nennen es auch gern Lust, aber das klingt für Laien meist, als ginge es (nur) um Sex, also verwende ich das heute gängige Wort: Spaß).
Wir streben nach Dingen, die uns das Spaßgefühl geben und suchen Situationen, in denen wir Spaß erleben.

Von Angst wollen wir weniger.
Wir vermeiden Sachen, die uns Angst machen oder versuchen sie aus dem Weg zu räumen.

Wovor haben wir Angst?

Auch da gehen wir mal ganz zu den Wurzeln zurück: Natürlich wollen wir Überleben, dazu brauchen wir erstmal Essen und Schutz vor Wind und Wetter.
Hunger und Obdachlosigkeit sind jetzt für die meisten von uns in Deutschland auch kein Problem, aber Angst vor Arbeitsplatzverlust, nicht genug Geld zu haben, vor allem im Alter, da finden sich schon mehr Leute wieder.

Dann gibt es aber noch eine weitere große Angst, die uns seit Urzeiten begleitet: Die Angst nicht gemocht zu werden, nicht dazuzugehören.

Saskia Borkowski

Klingt nach Grundschulhof oder Pubertätsproblemen?

Tja, in unserer Leistungsgesellschaft, geben wir es nicht mehr immer gern zu, aber wir sind soziale Wesen. Das waren wir schon, bevor wir Menschen wurden. Wir haben das innere Bedürfnis dazuzugehören, liebgehabt zu werden und das gilt – so kindisch es klingt – auch als Erwachsene.

Was die Angst ausgeschlossen zu werden mit uns macht

Evolutorisch gesehen steckt auch dahinter vermutlich wieder die Angst, ohne Gruppe zu wenig Futter oder Schutz zu haben und dann ist da noch die Sache mit der Fortpflanzung, die nun wirklich so ganz allein einfach nicht klappt. Aber das ist gar für die Praxis gar nicht so wichtig.
Wichtig ist: Wir sind instinktiv, oder wenn du willst, genetisch so ausgestattet, dass wir einen sicheren Platz in der Gruppe haben wollen.
Das äußert sich, je nach Person und Erfahrungen dann ganz unterschiedlich: Einer kümmert sich zum Beispiel viel um andere, damit sie ihn schätzen, eine andere versucht besonders schön und attraktiv zu sein, um begehrt zu werden, wieder ein anderer versucht nützlich zu sein und gebraucht zu werden, noch eine andere strebt eher nach Macht und unterdrückt vielleicht sogar andere, um sich ihre Position zu sichern, auch wenn das auf den ersten Blick nicht nach gruppenfähigem Sozialverhalten aussieht. Da wird’s dann wieder kompliziert mit der Psyche…

Aber die Menschen in all diesen Beispielen haben etwas gemeinsam: Sie tun etwas. Sie sind motiviert dazu. Und der Grund ist Angst, die Angst davor von der Gruppe verlassen oder ausgeschlossen zu werden. Diese Angst ist so mächtig, dass wir ihr oft andere Dinge unterordnen, auch Bedürfnisse, deren Befriedigung sehr wichtig für uns selbst wäre/ist. Denn das Überleben der Gruppe ist evolutorisch so wichtig, dass wir unser eigenes Wohlbefinden im Zweifel mit Füßen treten, obwohl das heutzutage gar nicht mehr nötig ist (zumindest in der privilegierten Situation, in der Du wahrscheinlich bist: In einem Erste-Welt-Land mit genug Bildung, Internetzugang und Zeit, um das hier zu lesen).

Und was ist jetzt mit dem Spaß?

„Puh, das klingt ja ganz schön deprimierend“, sagst Du jetzt vielleicht und: „Stimmt ja gar nicht! Ich geh doch nicht nur arbeiten, weil ich Angst habe zu verhungern, sondern auch, weil ich mir von dem Geld Dinge kaufen kann, die Spaß machen.“ Vielleicht gehörst Du sogar zu den Glücklichen, die sagen: „Meistens macht meine Arbeit mir Spaß.“

Richtig!

Und jetzt kommt die Crux: Angst und Spaß als Motivator zu unterscheiden, ist oft schwer. Denn in der Evolution ist der Grund für Spaß und Angst der gleiche: Überleben.

Bestes Beispiel ist hier dann doch die klassische sexuelle Lust: Wir haben Spaß am Sex, weil er – zumindest vor der Erfindung der Verhütungsmittel – dazu geführt hat, dass wir uns fortpflanzen. Da hat die Evolution auch erkannt, dass Angst alleine nicht alles ist.

(Wie gut Spaß als Motivation funktionieren kann, sehen wir dann auch oft beim Thema Sex, wo es ja öfters mal vorkommt, dass Leute sämtliche gesellschaftlichen Konventionen und Verpflichtungen über Bord werfen in der Aussicht auf dieses Lusterleben, aber auch das ist eine andere Geschichte.)

(Über-)Leben funktioniert jedenfalls deutlich stressfreier und damit auch gesünder und angenehmer mit Spaß als Motivator als mit Angst.

Spaß ist sozusagen das Geschenk der Evolution, das wir oft nicht genug nutzen, meist auch, weil die Gruppe uns was anderes erzählt.

Saskia Borkowski

Also halten wir fest: Um Dinge zu tun, haben wir grundsätzlich zwei Motivationsgefühle: Spaß und Angst. Nur beim Spaß hat uns irgendjemand mal erzählt, er wäre nicht nützlich genug fürs Überleben. Deshalb vernachlässigen wir ihn gern zugunsten der Angst.

Angst und Spaß im richtigen Maß

Versteh mich nicht falsch: Angst ist ein sehr nützliches Gefühl, das uns schützt und eben auch gut motivieren kann. Sich nur noch vom Spaß leiten zu lassen, würde mit ziemlicher Sicherheit auch nicht gut gehen.

Aber die meisten von uns bräuchten für ein erfolgreiches Leben vermutlich deutlich weniger Angstmotivation als wir haben (insbesondere in einer privilegierten Situation, in der es seltenst ums nackte Überleben geht).

Gerade um sich zu frei entfalten, ist der Spaß enorm wichtig und die Angst fast immer hinderlich. Und das gilt ganz besonders für Renaissance-Seelen und andere Kreative!

Der Gründer der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner, hat das in einem Interview zum Thema bedingungsloses Grundeinkommen mal so formuliert: „Im Leben braucht man keinen Druck, sondern Sog. […] Philosophisch gesehen ist die Sache mit dem Druck ein Irrtum, den der Teufel erfand.

Der Druck, das ist die Angst, etwas vor dem Du wegläufst, etwas das Du vermeiden willst. Spaß ist der Sog, das wo es Dich hinzieht, was Du freiwillig, auch ohne Druck machen möchtest.

Wie kannst Du mehr Spaß statt Angst nutzen, um Dich zu motivieren?

Frage Dich:

Wo zieht es Dich hin? Wo spürst Du Sog statt Druck?

Saskia Borkowski

Was überwiegt bei dem, was Du tust? – Druck oder Sog? Angst oder Spaß?

Tust Du das, was Du tust, weil es Dir Spaß macht, oder weil andere es von Dir erwarten bzw. noch korrekter ist meistens: weil Du glaubst, dass andere es von Dir erwarten?

Und wenn es mehr Angst ist: Ist diese Angst vielleicht unbegründet? Wirst Du wirklich völlig aus der Gruppe ausgestoßen, wenn Du mehr tust, was Dir Spaß macht?

Wenn die Antwort hier ja ist, dann erinnere Dich bitte daran, dass wir eben nicht mehr in der Steinzeit leben, wo Du vielleicht nur Deine unmittelbare Sippe als Bezugsgruppe hattest, die Du zum Überleben brauchtest. Vielleicht ist es Zeit für eine neue Gruppe zum Dazugehören…

…und so weiter.

Noch nicht konkret genug?

Lass mich Dir noch ein paar kleine Beispiele als Anregung geben:

Die Wohnung putzen

Viele Menschen putzen ihre Wohnung gründlicher, wenn sie Besuch bekommen. Warum ist das so?
Ein Teil davon ist natürlich Angst für schlampig gehalten zu werden, dass die Leute sich nicht wohl fühlen und nicht mehr kommen wollen. Aber ein Teil ist auch Spaß daran, für eine gemeinsame Zeit alles schön herzurichten. (Das Ziel ist das Gleiche: Zu einer Gruppe dazuzugehören.)
Vielleicht ist das bei Dir ähnlich: Leckeres Essen und Dekoration herrichten macht Dir Spaß, aber in den kleinsten Ecken jedes Staubkorn zu entfernen, stresst Dich. Du machst es nur aus Angst, weil Oma Dir vielleicht beigebracht hat, dass alles blitzeblank sein muss, damit die Leute nicht reden – will heißen schlecht reden –  will heißen dich nicht mehr liebhaben und aus der Gruppe ausstoßen. Würden sie das wirklich tun? Und wenn ja, würdest Du zu so einer Gruppe ernsthaft gehören wollen?

Dinge aufschieben

Gibt es eine Sache, die Du immer vor dir herschiebst, obwohl Du sie eigentlich (gern) machen möchtest? Warum ist das so?
Hast Du Angst, es könnte zu anstrengend sein, Du könntest es vielleicht gar nicht schaffen und schiebst es auf, um den Misserfolg zu vermeiden?
Oder macht sie vielleicht einfach keinen Spaß? Musst du sie dann wirklich machen? (Den Zahnarztbesuch vielleicht schon. Den Besuch bei unliebsamen Verwandten, vielleicht nicht, oder kürzer, oder seltener…)

Traumberuf?

Vielleicht traust Du Dich nicht, einem Berufswunsch nachzugehen, der Dir schon lange im Kopf herumspukt. Warum ist das so?
Hast Du Angst, es macht doch keinen Spaß? Kein Problem, das kannst du ja ausprobieren.
Oder hast Du wirklich Angst, nicht genug Geld zum Überleben zu verdienen? Stimmt das überhaupt? Könntest Du hier nicht einen Kompromiss zwischen Hobbies und Beruf finden?
Oder hast Du vielleicht doch eher Angst, wie die anderen Dich anschauen, was sie sagen, wenn Du so eine brotlose Kunst anstrebst, wenn Du Dich nach dem Ausprobieren umentscheidest, weil man sich ja immer festlegen muss, wissen muss, was man will und das soll bitteschön auch nützlich sein…

Ich kann Deine Angst hier nicht einfach wegdiskutieren. Sie ist ja da. Aber manchmal hilft es schon, wenn man sie mal hinterfragt und erkennt, wie absurd sie ist oder wie einfach man sie auflösen könnte.

Zur Autorin

Saskia Borkowski ist eine Renaissance-Seele, wie sie im Buche steht.

Als Diplompsychologin, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Yogalehrerin betreibt sie eine Praxis im Herzen Deutschlands, in der Nähe des Edersees (www.psiom.de). Nebenbei arbeitet sie in einer Klinik, schreibt unter dem Pseudonym Allegra Bork Fantasybücher und Geschichten, designt und näht Kostüme und Hochzeitkleider, lernt (derzeit) abwechselnd chinesisch, arabisch und italienisch, liest fast alles, was ihr unter die Augen kommt, zeichnet, malt und phantasiert gerade auch davon, mal wieder jemanden zu verhauen – beim Kampfsport natürlich nur 😉 )

Dominika

Hier sollte ich mich kurz vorstellen, da ich mich aber nicht entscheiden kann, welche Persönlichkeitsanteile an dieser Stelle wichtig sind, mach ich’s kurz: Hi, ich bin Dominika, begeisterte Multipassionierte, Kreativkopf, Tech-Liebhaberin. Das Leben ist zu kurz, um es einseitig zu gestalten.

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Die Magic Box für Multipassionates ist eine Sammlung kreativer Ressourcen, die kontinuierlich wächst.

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